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Pflege ist keine Geschlechtersache

Hallo, mein Name ist Lenn Chapman. Ich bin am 29.02.2000 als Frau zur Welt gekommen. Die DOREAFAMILIE gibt mir die Möglichkeit, euch auf diesem Weg einen Einblick in mein Leben als Transmann zu geben.

Bis zu meinem 19. Lebensjahr lebte ich als Frau, fühlte mich jedoch immer unwohl in meiner Haut. Viele fragen mich, wie mir bewusst geworden ist, dass ich lieber ein Mann wäre als eine Frau. Es ist ein schleichender Prozess, bei dem viele einzelne Puzzleteile am Ende ein Ganzes ergeben. Bereits im Kindergarten fragte ich: “Mama, wann wächst mir denn ein 'Pillermann'?" Schließlich hatten meine Brüder so etwas und ich nicht. Irgendwann war mir klar: „Okay, meine Haare müssen kurz.“ Mit den Worten „Papa, ich möchte aussehen, wie die anderen Jungs aus dem Fußballverein“ ging es weiter. Ich war immer „anders“ als die Mädchen in meiner Umgebung. Ganz unwohl fühlte ich mich in der Pubertät mit dem Wachsen der weiblichen Brust.
Dennoch habe ich mich den gesellschaftlichen Normen angepasst und versucht, dem Klischee „Mädchen“ zu entsprechen. Im Jahr 2012 riss ich diese Mauer ein, indem ich meine Haare wieder radikal kurz schneiden ließ. Das Mobbing in der Schule mit den Worten „Mannsweib“ begleitete mich durch die gesamte Schulzeit.

Auf den Begriff „Transsexualität“ stieß ich 2015 zum ersten Mal. Intensiv damit auseinandergesetzt habe ich mich, als ich 2018 mein soziales Jahr begann. Das Unwohlbefinden in meinem Körper wirkte sich inzwischen mehr und mehr auf meine Psyche aus. Ich wusste nicht mehr, wohin mit mir. 2019 fing ich an, mir im Internet ein zweites Leben aufzubauen – als Lenn. Dort habe ich Menschen in ähnlichen Situationen kennengelernt, die mir bei den ersten Schritten geholfen haben und mittlerweile sehr gute FreundInnen sind.
2020 vertraute ich mich einem Therapeuten an. Das muss sein, da Transidentität in Deutschland als „Persönlichkeitsstörung“ gilt und somit eine Krankheit ist – völliger Blödsinn, aber dennoch wahr. Neben der Hormontherapie, die ich am 17.02.21 begann, unterstützt er mich bei dem bürokratischen Teil (Vornamens- und Personenstandsänderung).

Ich outete mich, was bei Freunden und Familie gut aufgenommen wurde, aber beim Arbeitgeber eher weniger. Dass Transmenschen heute noch auf Diskriminierungen treffen, ist gang und gäbe: mir wurde eine Woche später in der Firma gekündigt. Aus diesem Grund brauchte ich einen Tapetenwechsel. Ich zog ins Siegerland, um hier mit einer Ausbildung zum Pflegefachmann ein neues Leben anzufangen.

In meinem Ausbildungsbetrieb bin ich offen mit meinem Weg umgegangen, da auf meinen Dokumenten mein weiblicher Vorname steht; ich möchte aber als Lenn akzeptiert werden.

Doch leider musste ich erneut die bittere Erfahrung machen, ohne Angabe von Gründen vor die Tür gesetzt zu werden. Ich war wieder am Anfang und musste zusehen, einen neuen Arbeitgeber zu finden. Wie sagt man doch so schön: “Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine Neue!”. Mein Weg führte mich zur DOREAFAMILIE Siegerland. Trotz meiner Vorgeschichte und allem, was ich mit mir trage, bin ich dort als Mann akzeptiert und ins Team integriert worden.

Keiner kategorisiert mich nach meinem biologischen Geschlecht, ganz im Gegenteil. Ich werde in der DOREAFAMILIE unterstützt, respektiert und treffe auf viel positive Resonanz. Ich hätte mir keinen anderen Arbeitgeber wünschen können. Die DOREAFAMILIE zeigt Flagge, geht respektvoll mit den Kolleg*innen um und ist da, wenn es mal nicht so läuft, wie es muss. Ich bin dankbar für alles. Vor allem auch für die Möglichkeit, meiner Geschichte eine Reichweite zu geben.